Theory Of Protection
A worldwide Art-Project by Daria Koltsova
Statement of the Artist Daria Koltsova
All over my country people are taping their windows to protect glass from shattering by explosion. Russians can start bombing at any moment.
I’m getting constantly air alert warning messages on my phone. I’m in a safe place now but I keep these notifications on because my family, friends, relatives and half of my heart are there: in Kharkiv where I was born, in Kyiv where I’ve lived for 8 years, in Odessa where I moved 2 years ago… bombs are falling from the sky. I used to read about it in old books and could never imagine it happening to my homeland. I still can’t believe.
These patterns on windows could be beautiful, but unfortunately, they are not decorations. We are taping windows to protect our bodies and sometimes even our lives. I started this art project in 2015 when I noticed such ornaments in occupied Donbass. During my research I found a picture in a World War II archive. (…) As you see, all patterns are different. I was attracted by the people’s ability to create while facing a deadly danger. And thus „Theory of protection” was born. Accompanied by an audio with old Ukrainian protective spells.
In 2016 I was invited to exhibit the installation in Moscow by Nadim Samman, a brave curator. He proposed to tape all the windows of the huge former factory where the Biennale he curated took place. None of us knew whether we could do that or not, I could have been imprisoned or just made to disappear for talking about the Russian war in Ukraine. I was very scared to go there with a message that THE WAR IS CLOSE, that the war existed even if they did everything to ignore it, that it was a Russian war against my country. But I believed that I had to try. And we did it. And viewers got the message. And that’s the power of art.
Now I have decided to continue the project to show how close the war is and how the peace is fragile.
Werkbeschreibung
Daria Koltsova hat in ihrem Projekt „Theory of Protection“ die in Kriegsgebieten übliche Praxis des Abklebens von Fenstern mittels Klebebandes aufgegriffen und daraus das Konzept für ihr Werk entwickelt. In Kriegszeiten werden die Fensterscheiben abgeklebt, um bei Detonationen zusätzliche Gefahr durch umherfliegende Glassplitter zu minimieren. Die dabei entstehenden Muster, Geometrien und Symmetrien haben die Künstlerin zu dem Werk inspiriert. Sie erzeugt dabei spannende Licht- und Schattenspiele und setzt auf gekonnte Weise die Dramatik des Kriegsthemas sowie die schwerwiegenden Auswirkungen auf den Alltag der Menschen in einen künstlerischen Kontext. Dabei erreicht der Themenkomplex des russischen Überfallskriegs auf die Ukraine auf besondere Weise dauerhaft Sichtbarkeit.
In diesem Werk sehe ich als Intendant des Burghofs nicht nur ein wichtiges Zeichen für die Situation der Menschen in der Ukraine, ich erlebe es als Hilfe für uns als Gesellschaft hierzulande die alltäglichen und allgegenwärtigen Auswirkungen dieses Krieges auf die Menschen in der Ukraine mit jenen auf uns alle in Bezug zu bringen. Es bildet eine emotionale Brücke, auf der eine Verbindung entsteht, eine Nähe, die sonst nur entsteht, wenn man selbst direkt betroffen ist. Diese direkte Berührung offenbart sich in der Ferne des Geschehens sonst nur subtil und schwer greifbar in Formen von Energiesparmaßnahmen, Kostensteigerungen, Rohstoff- und Lebensmittelknappheit, Flüchtlingsströmen, etc.
Daria Koltsova macht in ihrem Werk die Fragilität des Friedens und gesellschaftlichen Zusammenhalts sichtbar. Die grafischen Muster verschwimmen beim Vorübergehen auch aufgrund der Spiegelung – in Analogie zur Gewöhnung einer Gesellschaft an den Ausnahmezustand.
Das Werk wird an der Glasfassade des Burghofs, sowie auf einem einzelnen Fenster im Bereich des Glasstegs im inneren des Gebäudes für den Zeitraum von Oktober bis Dezember 2022 ausgestellt. Das Werk ist zu Öffnungszeiten des Kartenhauses auch im Gebäudeinneren zu besichtigen, begleitet von einer Toninstallation der Künstlerin mit der Stimme der ukrainischen Sängerin und Schauspielerin Solomiya Melnik, in der sie diese alten überlieferten ukrainischen Schutz-Bannsprüche – „protective spells“ – zitiert.
Teil des Konzeptes ist die Realisierung anhand von Plänen, die die Künstlerin speziell für den jeweiligen Standort entwirft durch ein Team, das von ihr aus der Distanz angeleitet bzw. bei der Umsetzung begleitet wird.
Großer Dank gebührt dem Team, das an der Umsetzung beteiligt war: Daline Fiacsan, Dirk Herzog, Florian Schlecht, Liam Wandrei, Linus Werner, Martin Radtke und Natalie Wetzel.
Timo Sadovnik
Geschäftsführer & Künstlerischer Leiter
Burghof Lörrach GmbH
(Titelbild: © Melanie Gees)