Interview mit Bertrand Gröger

Vor 25 Jahren ist der Jazzchor Freiburg bei der Eröffnung des Burghofs Lörrach aufgetreten. Was ist Ihnen von diesem Konzert besonders in Erinnerung geblieben?

Bei unserer Ankunft am Nachmittag staubte es noch überall. Die letzten Bauarbeiten waren eben erst fertig geworden. Überall wurden Werkzeuge, Eimer und sonstiges Gerät weggeschafft und der Boden gefegt und gewischt. Ich fragte mich, ob es überhaupt möglich sein konnte, dass gleich das Eröffnungskonzert stattfinden sollte. Aber es fand statt: Den ersten Teil vor der Pause durften wir mit dem Jazzchor pur musizieren. In der zweiten Hälfte spielten wir mit der Basel Sinfonietta und den Solisten aus den USA Porgy & Bess. Ein wunderbares Konzert, ein begeistertes Publikum, ein großer und berührender Erfolg. Besonders schön: Der Wein danach an der soeben entstaubten Bar mit Helmut Bürgel und Gudrun Heute-Bluhm!     

Welche Bedeutung hat der Burghof Lörrach für Sie und den Jazzchor Freiburg?

Der Burghof und sein großer Visionär Helmut Bürgel spielte für uns immer eine große Rolle. Helmut war unser Lieblingsveranstalter: Einmal im Jahr trafen er und ich uns zum Kaffee und schmiedeten gemeinsam Ideen, was wir als Nächstes machen könnten. Es wurde immer ein einzigartiges und spezielles Projekt daraus, zum Beispiel ein Tripelkonzert mit unseren Freunden Vocal Line aus Dänemark und Les Voice Messengers aus Paris. 2004 brachte uns Helmut dann beim STIMMEN-Festival mit Bobby McFerrin zusammen; auf dem Arlesheimer Domplatz vor einer großen Menschenmenge, mit Radio- und Fernsehmitschnitt. Unsere Choristen hatten leuchtende Augen und waren die nächsten Monate noch voll und ganz von diesem großartigen Musiker beseelt. Einige Jahre später, 2009, erhielt ich einen Anruf aus New York von Helmut, der mit Linda Goldstein gerade in deren Büro zusammensaß. Er fragte: Bertrand, wollt Ihr mit Bobby die Vocabularies in Europa erstaufführen? Hier sei erwähnt, dass ein paar Monate vorher Bobbys engster Mitarbeiter, Roger Treece, mir einen Kopfhörer aufsetzte und Ausschnitte aus dem fast fertigen Album vorspielte. Ich war enthusiastisch über diese Klangwelten und sagte ihm: Roger, this is the choral music of the future! Und so ging ein großer Traum in Erfüllung, dass wir diese Musik gemeinsam mit Bobby und Roger auf die Bühne bringen durften. Damit hatte Helmut einen großen Stein ins Rollen gebracht. Nach der Aufführung in Lörrach waren wir mit Bobby und Roger im Salzburger Festspielhaus und im Wiener Konzerthaus. Was dann aber folgte, war sehr bitter: Helmut musste etwas später krankheitsbedingt zurücktreten. Der Arme. Uns aber hat er in die Hände seiner Nachfolger gegeben, sodass die gute gemeinsame Tradition weitergeführt werden konnte – zum Beispiel 2019 mit unserem Programm "Infusion", das wir im Burghof uraufführten.    

Genau wie der Burghof Lörrach hat sich auch der Jazzchor Freiburg im vergangenen Vierteljahrhundert kontinuierlich weiterentwickelt. Was waren für den Jazzchor dabei die Meilensteine?

Wir haben seit jeher versucht, Musik zu singen, die noch kein anderer Chor gesungen hat. Das bedeutet viel Pioniergeist und Entwicklungsarbeit. Kooperationen haben uns dabei immer weitergeholfen und beeinflusst. Neben Bobby waren es zum Beispiel Konzerte und Projekte mit den Bamberger Symphonikern, mit der Hannover Big Band, den Swingle Singers und mit Einzelkünstlern wie Torun Eriksen, Kirby Shaw oder wie in den letzten Jahren mit Joo Kraus oder Lukas Derungs.  Auch Bühnenerfahrungen anderswo haben uns weitergebracht und musikalisch gefestigt, darunter viele Tourneen in Japan, Korea, China und Russland. 

Wie haben sich Ihre musikalischen Präferenzen sowie die der Sängerinnen und Sänger im Lauf dieser Zeit entwickelt?

Im Kern blieb unsere Idee immer die gleiche. Mutig und neugierig sein, nicht, was andere machen, einfach nachsingen, sondern selbst entwickeln, dabei aber immer nah am Publikum bleiben und auch Menschen, die mit Jazz nicht viel anfangen können, Musik bieten, die für sie verständlich ist und die emotional bewegt. Irgendwann haben wir – auch durch Bobby inspiriert – begonnen, ohne Band zu musizieren und die vielfältigen Möglichkeiten verschiedener A-cappella-Sounds zu erforschen. 

Daran anknüpfend: Was unterscheidet den Jazzchor von heute vom Jazzchor im Jahr 1998, einmal abgesehen von den personellen Veränderungen?

Ich denke, dass wir einen noch differenzierteren Klang entwickelt haben und dass wir auch in der Dynamik mittlerweile ein weit größeres Spektrum erarbeitet haben. Außerdem wagen wir eine größere emotionale Tiefe mit unserer Musik, so wie jetzt mit unserem neuen Sacred-A-cappella Programm, mit dem wir in den Burghof kommen. Wir freuen uns sehr, hier wieder zu Gast zu sein.   

Und wie hat sich der Burghof Lörrach aus Ihrer Sicht in den vergangenen 25 Jahren entwickelt?

Der Burghof hatte und hat ein immer sehr facettenreiches Programm, vor allem eines, das nicht einfach „von der Stange“ ist, sondern erstklassig ausgewählt wurde. Wäre ich nicht selbst Musiker mit nur begrenzten Möglichkeiten, Konzerte zu besuchen: Ich wäre Stammgast im Burghof.

Weitere Infos zum Konzert des Jazzchors Freiburg sowie Tickets gibt es hier.